Pflichtteilsrecht in Spanien
Anwendung und Besonderheiten des spanischen Pflichtteilsrechts
In Spanien richtet sich die Anwendung des Erbrechts nach der Europäischen Erbrechtsverordnung, wobei verschiedene Aspekte des Erbrechts je nach Region variieren können. Besonders bedeutend ist das spanische Pflichtteilsrecht, das die Testierfreiheit des Erblassers einschränkt und bestimmte Erben gesetzlich begünstigt.
Was Sie über das spanische Pflichtteilsrecht wissen sollten
In welchen Fällen kommt spanisches Erbrecht zur Anwendung?
Ob spanisches Recht anwendbar ist, richtet sich nach der Europäischen Erbrechtsverordnung. Grundsätzlich hängt das anwendbare Recht vom letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers ab.
Abweichende Regelungen in den autonomen Regionen
Das Pflichtteilrecht ist als Teil des Erbrechts im spanischen Zivilgesetz geregelt. Einige autonome Regionen in Spanien haben jedoch eigene oder ergänzende Erbrechtsvorschriften erlassen, das sogenannte Foralrecht. Diese Regionen sind:
- Balearen
- Katalonien
- Galicien
- Navarra
- Baskenland
Wie funktioniert das spanische Pflichtteilsrecht?
Im spanischen Erbrecht wird die Testierfreiheit des Erblassers durch bestimmte Personen eingeschränkt. Das heißt, der Erblasser kann nicht zur Gänze frei darüber verfügen, wer sein Vermögen nach dem Todesfall erhält. Diese Systematik wird deswegen auch Noterbrecht genannt.
Welche Personen sind Noterbberechtigt?
Noterbberechtigt sind vor allem die Kinder und Nachkommen des Erblassers. Ist ein Kind vor dem Elternteil verstorben und hat eigene Kinder hinterlassen, so treten diese an dessen Stelle und erhalten den Noterbteil zu gleichen Teilen. Ist ein Kind erbunwürdig oder wurde ihm der Noterbteil wirksam entzogen, so wird es nicht mitgezählt. Hat dieses Kind jedoch eigene Nachkommen, so haben dieser Anspruch auf das Noterbe und werden entsprechend berücksichtigt. Schlägt ein Noterbe das Erbe aus, erhalten auch seine Nachkommen nichts und er wird bei der Berechnung der Erbteile nicht mitgezählt.
Was ist ein Noterbteil?
Der Noterbteil ist der Teil des Vermögens, über den der Erblasser nicht frei verfügen kann und der den Kindern gesetzlich zusteht. Um den Noterbteil zu ermitteln, wird der Nachlasswert um die ausgleichspflichtigen Schenkungen erhöht. Der Wert des Nachlasses ergibt sich durch Abzug der Schulden und Lasten zum Zeitpunkt des Erbfalls. Testamentarische Lasten (z.B. Vermächtnis oder Auflage) bleiben bei der Berechnung unberücksichtigt.
Wie wird der Noterbteil berechnet?
Der Nachlass wird in drei Teile gegliedert:
- Strenger Noterbteil: Über das erste Drittel des Nachlasses kann der Erblasser nicht frei verfügen. Er ist ausschließlich den Noterbberechtigten vorbehalten.
- Aufbesserung: Über das zweite Drittel kann der Erblasser nur zugunsten seiner Kinder oder Nachkommen verfügen. Beschränkungen der Aufbesserung sind nur zulässig, wenn sie einen anderen Noterben oder dessen Nachkommen begünstigen. Der Aufbesserungsanteil ist jedoch stets mit dem Noterbteil des überlebenden Ehegatten belastet.
- Freies Drittel: Über das letzte Drittel kann der Erblasser frei verfügen.
Was wird auf den Noterbteil angerechnet?
Um eine Gleichbehandlung der Noterbberechtigten sicherzustellen, werden Schenkungen auf den Noterbteil angerechnet. Diese Anrechnung erfolgt unabhängig davon, ob dies im Zeitpunkt der Schenkung bestimmt wurde. Ein Vermächtnis oder eine Auflage zugunsten eines Noterbberechtigten wird auf die Aufbesserung angerechnet, wenn der Erblasser dies ausdrücklich bestimmt hat oder es nicht vom freien Drittel gedeckt ist.
Was ist, wenn der Erblasser keine Kinder oder Nachkommen hat?
Wenn der Erblasser keine Kinder oder Nachkommen hinterlässt, sind seine Eltern und andere Vorfahren Noterbberechtigt. Der Noterbteil beträgt in diesem Fall die Hälfte des Nachlasses. Ist ein Ehegatte des Erblassers vorhanden, erhält dieser ein Drittel.
Wie ist das Noterbrecht des Ehegatten ausgestaltet?
Auch der überlebende Ehegatte gehört zum Kreis der Noterbberechtigten. Bei Trennung besteht kein Anspruch, es sei denn, der Erblasser hat dem Ehegatten verziehen. Der Ehegatte erhält einen Nießbrauch am Aufbesserungs-Drittel und, falls keine Kinder oder Nachkommen vorhanden sind, einen Nießbrauch an der Hälfte des Nachlasses. Bei Abwesenheit von Nachkommen und Verwandten erbt der Ehegatte einen Nießbrauch an zwei Dritteln des Nachlasses.
Was passiert, wenn der Erblasser unverheiratet und kinderlos war?
War der Erblasser unverheiratet und kinderlos, so erben die Eltern des Erblassers alleine. Leben die Eltern nicht mehr, so erben die Geschwister des Erblassers zu gleichen Teilen.
Hat der Noterbberechtigte Anspruch auf Auskunft?
Auch im spanischen Erbrecht haben Noterbberechtigte das Recht, Auskünfte über den Nachlass zu erhalten. Der Noterbberechtigte hat das Recht zu erfahren, welche Vermögenswerte Teil der Erbschaft sind. Wenn die Erben die benötigten Informationen nicht freiwillig oder nur unvollständig herausgeben, steht dem Noterbberechtigten der Rechtsweg offen. Das bedeutet, er kann gerichtlich durchsetzen, dass die Erben die erforderlichen Auskünfte erteilen. Das Gericht kann die Erben per Urteil dazu verpflichten, umfassend über den Nachlass Auskunft zu geben.
Welche Gerichte sind für die Durchsetzung des Noterbteils zuständig?
Die Zuständigkeit von Gerichten bestimmt sich nach der Europäischen Erbrechtsverordnung. In der Regel sind die Gerichte des Staates zuständig, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Bei Zuständigkeit spanischer Gerichte richtet sich das Verfahren nach der spanischen Zivilprozessordnung.
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RA Prof.* Dr. Stephan J. Lang
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